Im Verein werden nahezu alle Entscheidungen urdemokratisch beschlossen: durch Mehrheitsentscheid. Dies hat viele Vorteile, so kann durch Diskussion, Fachwissen und aus der Pluralität der entscheidenden Personen erwachsende Kontrolle eine pflichtgemäßer Beschluss gefasst werden. Schwieriger ist dann jedoch die Frage, wie mit einem pflichtwidrigen Beschluss zu verfahren ist und insbesondere, wer dafür haftet, ob das Gremium selbst, sein Träger oder (richtigerweise) die Gremiumsmitglieder selbst.
Das Vorstandsamt unterliegt in der Beziehung zum Verein dem Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB). Somit lässt sich allgemein für die Haftung sagen, dass ein Gremiumsmitglied dem Träger des Gremiums haftet, wenn das Gremiumsmitglied eine ihm gegenüber dem Träger des Gremiums obliegende Pflicht verletzt, dies auch zu vertreten hat und deshalb ein Schaden beim Träger des Gremiums entstanden ist (§§ 280 I, 662 ff BGB). Dies gilt zunächst für jede Pflicht(verletzung) des Vorstands gegenüber dem Verein. Dabei trifft den Vorstand als wesentliche Kollektivpflicht die Geschäftsführung. Bei der Erörterung der Pflichten darüber hinaus und der tatsächlichen Individualpflichten des einzelnen Vorstandsmitglieds spielt dann die Ausgestaltung der Satzung und der Geschäftsordnung im Verein eine Rolle, wobei immer die Gesamtleitungs- und Überwachungspflicht beachtet werden sollte. Entscheidend ist jedenfalls, dass das einzelne Gremiumsmitglied nur die sorgfaltsgemäße Mitwirkung (bspw. durch Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung, aber auch Teilnahme an der Diskussion und Einbringen von Fachwissen) am Beschlussverfahren dem Verein schuldet.
Zweifelsfrei ist das Verhalten der Gremiumsmitglieder pflichtwidrig, wenn für einen zweck- oder rechtswidrigen Beschluss gestimmt wird oder zweck- oder rechtswidrig gegen einen erforderlichen Beschluss. Ob Enthaltungen pflichtwidrig sein können hängt davon ab, wie sich diese Stimmen in der Abstimmung auswirken, sodass auch Enthaltungen pflichtwidrig sein können.
Gremiumsmitglieder, die über ein Vetorecht verfügen unterliegen ebenfalls der Pflicht der sorgfältigen Beschlussfassung und müssen bei zweck- oder rechtswidrigen Beschlüssen dieses Recht auch ausüben, sonst ist ihr Verhalten ebenfalls pflichtwidrig. Ebenfalls kann das Antragsrecht in pflichtwidriger Weise missbraucht werden.
So stellt sich die Frage, ob eine Schadensersatzanspruch entsteht, wenn ein Mitglied bei einem pflichtgemäßen (und auch notwendigem) Beschluss dagegen stimmt, aber überstimmt wird. Zwar hat dann das Gremiumsmitglied seine Pflicht zur sorgfältigen Mitwirkung verletzt, letztlich mangelt es aber an einem Schaden, da sich die Stimme nicht auswirkt. Somit ist ein Anspruch zu verneinen. Im Einzelfall kann es jedoch anders liegen, wenn das Gremiumsmitglied vorher versucht die anderen von dem (pflichtwidrigen) Beschluss zu überzeugen, letztlich selber aber dagegen stimmt, um sich der Haftung zu entziehen, der Beschluss dann aber zu Stande kommt. Nicht verwechselt werden darf damit aber das bloße diskutieren für und gegen den Antrag.
Somit zeigt sich, dass bei einem pflichtwidrigen Beschluss nur die Gremiumsmitglieder haften müssen, die ihre Pflicht verletzt haben.
Der Gedanke liegt nahe, nun diese Haftung durch ein geheimes Abstimmungsverfahren zu umgehen, um den Rückschluss auf das einzelne Gremiumsmitglied zu verhindern. Hier entscheidet sich mit der Zuweisung der Beweislast für die Pflichtwidrigkeit auch der Ausgang des Schadensersatzanspruchs. Liegt die Beweislast beim Mitglied, kann sich dieses nicht entlasten, liegt sie beim Träger, kann er den Anspruch nicht beweisen. Zwar kann der Dritte meistens den Träger des Gremiums (den Verein) in Anspruch nehmen, sofern ihm gelingt wenigstens nachzuweisen, dass mindestens ein Mitglied tatbestandsmäßig gehandelt hat, aber ein Durchgriff in die persönliche Haftungsmaße ist nicht möglich. Besonders ungünstig stellt sich die Lage für den Träger des Gremiums, da dieser seine Gremiumsmitglieder in der Innenhaftung in Anspruch nehmen möchte. Es ist dem Träger schon kaum möglich, überhaupt die Pflichtverletzung des einzelnen Mitglieds zu beweisen. Die Beweislastumkehr aus § 280 I 2 BGB hilft nur beim Verschulden und ist da in ihrer Anwendbarkeit schon fraglich (siehe § 619a; Gremientätigkeit wohl eher tätigkeitsals erfolgsbezogen). Die Rechtsprechung ordnet § 280 I 2 BGB dennoch dem Bereich des Gremiumsmitglieds zu, sodass dieses seine Pflichtgemäßheit zu beweisen hätte, was ihm in der Regel nicht gelingt. Dahingehend ist auch § 93 II 2 AktG angelegt. Bei deliktischen Ansprüchen liegt die Beweislast voll beim Träger. Somit kommt es auf die Anspruchsgrundlage an, wer die Beweislast und somit den Verlust in dem Streit trägt.
Letztlich hilft auch nicht der Verweis auf fehlende Kausalität des eigenen Verhaltens. So könnte ein Mitglied behaupten, auf die eigene Stimme wäre es nicht angekommen (Bspw. 7 dafür, 3 Dagegen), denn schließlich hätten die anderen Stimmen ausgereicht, um dem Beschluss zuzustimmen. Dieses Argument würde dann für jedes Mitglied gelten und es würde niemand haften. Daher wird bei Gremienentscheidungen von einer Kausalität aller Stimmen für den Beschluss ausgegangen.
Praxis-Tipp:
Als Gremiumsmitglied sollten Sie sich unbedingt darauf achten, bei Handlungsbedarf rechtzeitig zu reagieren und entsprechende Anträge zu stellen (insbesondere wenn es sich um Ressortaufgaben handelt, drohender Insolvenz oder als allzuständiger Vorstandsvorsitzender). Dazu gehört auch, bei Kenntnis möglicher Missstände den Hinweisen nachzugehen und eigenständig Nachforschungen anzugehen. Darüber hinaus sollten Sie sich an Diskussionen beteiligen und bei zweifelhaften Beschlüssen ins Protokoll aufnehmen lassen, dass Sie dagegen gestimmt haben. An die eigene Tasche geht es nur, wenn Sie selbst etwas verschuldet haben, eine Zuweisung von Verhalten durch Dritte ist nicht bekannt. Ihr Abstimmungsverhalten sollten Sie gerade im Vereinsbereich, in dem man ständig im Austausch mit und Gespräch von Mitgliedern ist, immer beweisen und begründen können. Von einer geheimen Abstimmung ist daher abzuraten. Entsteht durch Ihr Verhalten ein Schadensersatzanspruch, so droht eine persönliche Haftung nicht nur gegenüber dem Dritten, sondern auch gegenüber dem Verein.
geschrieben von Niels Kaufmann Samstag, 16. März 2013