Frauen in Führungspositionen sind ein wichtiges Thema und aus der heutigen Berufswelt nicht wegzudenken. Trotz der Fortschritte in den letzten Jahren sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Laut einer Studie des statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2021 beträgt der Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland 29,2%, also gerade einmal jede dritte Frau. Demnach sind knapp über 70% der Führungspositionen von Männern besetzt (Statistisches Bundesamt, 2022).
Es ist wichtig, die Ursachen hinter dieser Ungleichheit zu verstehen und anzugehen, um die Bedingungen für Frauen in Führungspositionen zu verbessern und sie in Richtung Aufstieg gezielt zu fordern und zu fördern. Denn die Humankapitalentwicklung als nachhaltige Anlagestrategie gewinnt mit dem steigenden Wettbewerb in der Unternehmenswelt bekanntlich immer mehr Bedeutung (Dürndorfer, 2005). Letztlich führen Maßnahmen gegen eine Geschlechterdiskriminierung zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit und fördern ein innovatives und kreatives Denken in diversen Teams, welches die Wahrnehmung der Unternehmen in der Gesellschaft und bei den Kunden verbessert (Kanschat, 2009). In diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Initiativen, die darauf abzielen, Frauen in Führungspositionen zu gewinnen und zu stärken. Im folgenden Beitrag werden wir uns mit verschiedenen Aspekten dieser Thematik auseinandersetzen und Einblicke in die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen geben. Insbesondere die Frage nach dem „Wie?“ ist interessant, um eine Herangehensweise zu visualisieren.

Frauen in Führungspositionen – Die Frage nach dem “Wie?”
Ein kontrovers diskutiertes Thema, die Einführung von Geschlechterquoten (Führungsstellengesetz I & II, 2015 & 2021) sollte Großkonzerne wie die DAX-40 und öffentlich-rechtliche Unternehmen dazu antreiben, sich mehr mit dieser Thematik und den notwendigen Strukturen und Prozessen zu beschäftigen und letztlich die Vorstands- und Führungsebene mit beiden Geschlechtern zu besetzen (Kirsch et al ., 2022). Ziel dieser gesetzlichen Auflage ist eine nachhaltige Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen und damit die Gewährleistung von Gleichberechtigung und Chancengleichheit in der Unternehmenswelt, doch ungeachtet dessen hatten sieben Vorstände von DAX-Konzernen, darunter Bayer, RWE, E.ON und die Deutsche Bank im Jahr 2019 noch keine weiblichen Führungskräfte (Hansen, 2019). Ferner ist zu beobachten, dass sich selbst mit der Erfüllung der Quotenregelungen der Frauenanteil in Führungspositionen in anderen DAX-Unternehmen nur marginal verändert hat (Statistisches Bundesamt, 2021).
Eine höhere Beteiligung von Frauen in Führungspositionen kann sowohl für die Unternehmen als auch für die Gesellschaft eine insgesamt positive Auswirkung haben. So zeigt eine Studie des McKinsey Global Institute aus dem Jahr 2020, dass Unternehmen mit einer höheren Diversität in der Führungsebene eine 25% höhere Profitabilität aufweisen als ihre weniger divers aufgestellten Wettbewerber (McKinsey, 2020). Doch trotz wissenschaftlicher Empfehlungen fehlen Unternehmen bisher das Know-how und die Tatkraft, um weibliche Nachwuchskräfte nachhaltig für die Führungsebene zu fördern (vgl. Haager; Wieser, 2022).
Der Blick auf die Gründerkultur vermittelt hingegen ein facettenreiches Bild. Hier ist der Anteil der Gründerfrauen deutlich höher als der Frauenanteil in Führungspositionen (Weber et al. 2019, Ghane et al. 2019). Auch wenn die Zahl der Gründerinnen, trotz rückläufiger Gründungstendenz überproportional wächst, bleiben Frauen auch hier noch unterrepräsentiert, jedoch lange nicht im gleichen Maße wie in den Führungsetagen großer Unternehmen. Diesbezüglich ist positiv hervorzuheben, dass die Fortschritte im Start-up-Wesen ohne rechtliche Vorgaben und Regulierungen erreicht wurden.
Bis hierhin wird also deutlich, dass die Entwicklung hinsichtlich einer nachhaltigen Diversifizierung der Chefbüros letztlich noch in den Kinderschuhen steckt. Zwar sind die Fortschritte in der Gründerszene ein Fingerzeig für eine langsame Trendwende, doch mengenmäßig relevanter sind Führungspositionen in bereits etablierten Unternehmen, wo Frauen unterrepräsentiert bleiben. Dies führt uns zu der Frage, welchen Herausforderungen Frauen sich stellen müssen in ihrem Streben nach Erfolg und Aufstieg. Ein wesentlicher Faktor ist die gesellschaftliche Rolle der Frau.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie weitere
Herausforderungen
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in der Mehrheit der Studien als die primäre Hürde für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen herausgestellt (vgl. Wippermann 2010). Anders als häufig angenommen, handelt es sich jedoch nicht um ein geschlechtsspezifisches Problem. Männer nennen das Spannungsverhältnis zwischen Familie und Beruf als Organisationsproblem für berufliche Tätigkeit. Vorherrschende konservative Rollenbilder sorgen dafür, dass diese Problematik eher bei Frauen zum Tragen kommt. Nach wie vor ist die aktuelle Geisteshaltung, dass männliche Führungskräfte eine Familie als Ausgleich brauchen (ebd.). Diese Vorstellung knüpft an die Idee an, dass die Frau primär für die Aufgaben in Familie und Haushalt zu sorgen hat, was für ambitionierte Frauen zum Karrierekiller wird.
Des Weiteren entpuppen sich Lücken im Lebenslauf als weiterer Fallstrick für eine gelingende Karriere, von der Frauen überproportional betroffen sind. So weisen nur 25% der Lebensläufe von Männern, jedoch 44% bei den Frauen Lücken auf, meist bedingt durch Mutterschutz. Alles, was über die gesetzliche Schutzfrist von acht Wochen hinausgeht, kann somit bereits ein Ausschlusskriterium sein. In der Konsequenz spüren Frauen nach der Geburt den Druck, rasch wieder in den Berufsalltag zu starten.
Um Führungskraft zu werden, muss ein Mitarbeiter in einem Unternehmen mehrere Hierarchieebenen durchlaufen, anders als bei eigenständiger Gründung. Wer schneller beruflich aufsteigen möchte, muss nicht selten den Betrieb wechseln, um so eine oder sogar mehrere Hierarchiestufen zu überspringen. Frauen stehen hier vor zwei Problemen: Zum einen wechseln sie – aus teilweise unbekannten Gründen seltener das Unternehmen, zum anderen beschreiben viele Frauen den bremsenden Effekt einer gläsernen Decke ab einer gewissen Hierarchieebene.
Viele Frauen berichten hinsichtlich ihres Recruitingprozesses, dass der männliche Interviewer lieber einen Mann einstellen wollte. Dieser Ähnlichkeits-Bias beschreibt die Tatsache, dass ein Recruiter gerne jemanden einstellt, den er als jüngere Version von sich selbst wahrnimmt. Dass dies für Karrierewege von Frauen alles andere als sachdienlich ist, liegt auf der Hand – die angestrebte Hierarchieebene ist schließlich männlich dominiert. Wenn hingegen viele Frauen arbeiten, steigt die Chance von weiblichen Bewerberinnen (Kunze/Miller 2017). Gründerinnen durchlaufen keinen solchen Bewerbungsprozess, sodass sie diese Form der „gläsernen Decke“ nicht kennen.
Wenn es um die Situation innerhalb der Unternehmen geht, so offenbart sich, dass Frauen sich unternehmensintern eher für solche Abteilungen entscheiden, die Männer meiden, um eine Karriere-Sackgasse zu vermeiden. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Abteilungen wie Personalwesen oder Öffentlichkeitsarbeit. Männer zieht es stattdessen in Bereiche, die mehr Einfluss und langfristige Aufstiegsmöglichkeiten bieten, z.B. Finance, Controlling oder Vertrieb. Manche Studien deuten darauf hin, dass dieser Tendenz Mentalitätsmuster zugrunde liegen, die im Studium aufgebaut werden (Hahn 2022). Angesichts dieser geschlechtsspezifischen Neigungen und ihrer Ursprünge ist es lohnenswert, einen Vergleich zwischen den Start-ups und der großen Unternehmen zu ziehen, um ein tieferes Verständnis für die unterschiedlichen Ergebnisse zu erlangen.
Start-ups vs. Corporations: Können die Großen von den Kleinen lernen?
Wie im Vorangegangenen beschrieben, lassen sich merkliche Unterschiede zwischen der Frauenförderung und der Quote der Frauen in Führungspositionen feststellen. In Unternehmen sind positive Entwicklungen nur durch politische Rahmensetzung erreicht worden, während in der Gründerszene mehr – und dies auch ohne harte Quotenregelungen – erreicht wurde. Es lohnt sich also, einen Blick auf die Strategien der Start-up-Welt zu werfen, um diese auch für größere Unternehmen nutzbar zu machen. Dass sich Start-ups und Konzerne in ihrer Struktur unterscheiden, ist ohne jeden Zweifel. Im Hinblick auf die Methoden gibt es einige, deren Anwendung wohl auf absehbare Zeit nur in Start-ups sinnvoll ist.
Wie bereits festgestellt, geraten Frauen oft in für Frauen „typische“ Abteilungen. Es wird zu selten die Gelegenheit geboten, dass Frauen auch Einblick in die Abteilungen erhalten, die sonst vornehmlich männlich geprägt sind und meist bessere Aufstiegschancen bieten. Frauen bewerben sich meist erst gar nicht auf Positionen in den entsprechenden Bereichen. Die Start-up-Szene mit ihren umfangreichen Events kann hier als Vorbild dienen. Frauen eröffnet sich hier ein besserer und tieferer Einblick in verschiedene Bereiche. Zudem gelingt es, dass Frauen durch solche Recruitingevents Vorbilder finden, die essentiell für ihre weitere Entwicklung sind.
Die Relevanz von Vorbildern ist nicht nur in den Anfängen wichtig, sondern auch für den Karriereweg im Unternehmen. Sich mit diesen zu vernetzen und beraten zu lassen, erleichtert den Aufstieg. Netzwerken unter Frauen wird in der Start-up-Welt stärker forciert als in größeren Unternehmen. Dabei könnten Mentoringprogramme den Weg für Frauen in Führungsebenen gangbarer machen. Die positive Wirkung von Frauennetzwerken ist seit geraumer Zeit belegt (vgl. Wheeler 2017, vgl. Lavine 2017).
Die höheren Erfolgsquoten von Frauen in der Start-up Szene lassen sich jedoch nicht allein auf ihre besseren Netzwerkmöglichkeiten zurückführen. Es bedarf der notwendigen Führungskompetenzen. Diese können durch verschiedene Aus- und Weiterbildungsprogramme vermittelt werden. Gründerinnen aus der Start-up-Szene nehmen solche Angebote bereits vermehrt wahr und rüsten sich somit früh für kommende Führungsaufgaben. Auf der anderen Seite ergibt es Sinn, auch für Männer ein flankierendes Workshopangebot aufzubauen, um noch vorherrschende stereotype Rollenbilder aufzubrechen, die in der Start-up Welt insgesamt weniger präsent sind.
Dass feste und gar intransparente Hierarchien sich in aller Regel als Nachteil für Frauen erweisen, wurde bereits thematisiert. Dies stellt weniger für Frauen in Start-ups ein Problem dar, meist gibt es dort ohnehin nur maximal zwei Hierarchieebenen, vielmehr für solche in etablierten Unternehmen. Deswegen können diesbezüglich Start-ups nur begrenzt als Blaupause dienen. Bezüglich der Hierarchiethematik lohnt hingegen ein vergleichender Blick auf die Beratungsbranche. Diese besticht durch die Klarheit und Transparenz ihrer Aufstiegsstufen. Mögen Konzepte wie „Up or out“ unter Umständen in anderen Punkten kritikwürdig sein, ist die durch sie geschaffene Chancengleichheit in weiten Teilen unbestritten. Beide Geschlechter werden anhand von messbaren Ergebnissen befördert, weshalb sich Konzerne durchaus etwas aus diesem System abschauen könnten.
Eine häufige Herausforderung für Frauen besteht darin, dass sie weniger verdienen als ihre Partner und sich somit zusätzlich zu ihrer klassischen Geschlechterrolle gezwungen fühlen, sich um die Kinder zu kümmern. Unternehmen sollten entsprechend auch die Bereiche, die eher weiblich geprägt sind, besser entlohnen. Ergänzend sollten Frauen durch die Ausweitung von Kinderbetreuungsangeboten entlastet werden. Gründerinnen halten es beispielsweise in höherem Maße für selbstverständlich, Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen, als Angestellte. Mütter in der Start-up-Szene profitieren zudem stärker von flexibleren Arbeitszeitmodellen, die typisch für die Branche sind, während Frauen in Großunternehmen mit klassischen, starren Arbeitszeiten zu kämpfen haben. Kurz, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Steigerung des Frauenanteils in deutschen Führungsetagen. In Anbetracht all dieser Faktoren haben wir festgestellt, dass genau hier gerade große Unternehmen Aufholbedarf haben.
Fazit
Ein Vergleich von Start-ups und Unternehmen hinsichtlich ihrer Fortschritte bei der Diversität auf der Führungsebene hat gezeigt, dass die Start-up-Szene eindeutig besser aufgestellt ist und somit als ein Impulsgeber für die Entwicklung in größeren Unternehmen genutzt werden sollte. Auch wenn es in der Natur der Sache liegt, dass Strukturunterschiede die Nutzbarmachung von Maßnahmen für Großunternehmen teils schwierig machen, finden sich einige Maßnahmen, die nicht nur für Start-ups allein sinnvoll sind.
Beispiele hierfür sind der Umgang mit Hierarchieebenen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Mentoringprogramme und bessere Netzwerkmöglichkeiten. Die Praktizierung dieser Maßnahmen trägt dazu bei, dass die Fortschritte der Start-ups spürbar größer sind, weshalb die Großen die Chance nutzen sollten, von den Kleinen zu lernen.
Dieser Blogbeitrag wurde von Katja Kreyenkamp inspiriert, die sich im Rahmen ihrer Bachelorthesis mit dem Thema auseinandergesetzt hat.