Sie würden diesen Text gerne lesen, ohne dass Sie dauernd diese nervige Werbung unterbricht?
Eigentlich soll Werbung positive Assoziationen erzeugen. Oftmals tut sie das zugunsten von Provokation aber nicht, so wie im Beispiel der Kleidungsmarke, die bereits amputierte Körper und junge Mädchen mit Magersucht auf ihren Plakaten neben dem Label abbildete. Was aber, wenn Werbung nicht nur auf inhaltlicher Ebene provoziert, sondern uns wie beispielsweise Pop-Ups im Internet durch die Art der Werbung aufregt? Im ersten Moment ein Ärgernis für die meisten Internetnutzer auf lange Sicht aber dazu eingesetzt, (Neu)Kunden zu werben, bleibt die Frage der Wirksamkeit solch aufdringlicher Werbemaßnahmen bisher weitestgehend ungeklärt. Denn reicht es tatsächlich aus, mich als Kunden mit der Marke zu konfrontieren, um mich dann im Supermarkt für dieses anstatt mich für ein mir unbekannteres Produkt entscheiden zu lassen? Oder erinnere ich mich vielleicht vor dem Supermarktregal an die aggressive Werbemaßnahme, die mich zuletzt gestört hat und entscheide mich somit bewusst gegen das beworbene Produkt?
In Düsseldorf, einer der Hauptstandorte in Deutschland für Werbung und Kommunikationsstrategie, ist es wohl besonders angebracht diese Frage zu stellen. Aus Sicht der Psychologie machen verschiedene kognitive Theorien unterschiedliche Vorhersagen für einen Bereich in der Werbeindustrie, der noch viel ungenutztes Potential in der Wirkungsforschung aufweist.
Die Theorien, die dafür und dagegen sprechen, dass Werbung, sei sie auch im ersten Moment negativ bewertet, den Betrachter langfristig stärker an die Marke bindet* führen in ihrer Argumentation verschiedene kognitive Mechanismen bei der Werbungsverarbeitung an. Zuerst einmal sei die Aufmerksamkeit genannt, denn erst wenn ich meine Aufmerksamkeit bewusst auf etwas richte, kann ich Interesse dafür entwickeln, woraus dann eventuell ein (Kauf-)Begehren entsteht, das mich zum neuen/treuen Kunden macht. Aufmerksamkeit ist Voraussetzung für Verarbeitung, aber sollte Aufmerksamkeitslenkung in der Werbung Selbstzweck sein? Wenn die Werbung mir nun außerdem noch möglichst häufig dargeboten wird, egal ob mit positivem oder negativem Inhalt und egal mit welcher Werbemethode, stellt der sogenannte Mere-Exposure-Effect sicher, dass mir das Beworbene vertrauter ist und dessen weitere Verarbeitung erleichtert, was ein positives Gefühl hinterlässt. Im Laden wiederum könnte es sein, dass ich mich daran erinnere, das Produkt oder die Marke bereits schon einmal gesehen oder gehört zu haben. Ob dies allerdings über eine Werbung oder über die Empfehlung einer Freundin gewesen ist, erinnere ich eventuell nicht (das Quellengedächtnis von uns Menschen ist leider relativ schlecht) und bin stärker dazu geneigt, das Produkt zu kaufen. Dies macht auch evolutionär Sinn: Das, was ich bereits kenne bzw. das, was meine Artgenossen bereits benutzen, erscheint ungefährlich, alles Neue riskant.
Während das bisher Genannte durchaus einen positiven Effekt von nerviger (Pop-Up)Werbung erlaubt, gibt es auch diverse Theorien für die Gegenseite. Bereits auf lernpsychologischer Ebene kann argumentiert werden, dass die Unterbrechung einer angenehmen Tätigkeit, wie z.B. das Surfen im Internet durch Pop-Up Werbung, einer Bestrafung gleichkommt. Die Vermeidung dieser „Bestrafung“ also der Werbung durch Wegklicken wird hingegen dadurch belohnt, dass wir ungestört weitersurfen können. Wir lernen also, die mit der Marke assoziierte Werbung wegzuklicken. Wie werden danach unsere nächsten Klicks bei Internetanbietern des Produkts aussehen? Werde ich hier dann nicht eventuell auch Wegklicken statt Wählen? Mit diesen Gedanken im Hinterkopf ist es vielleicht ganz interessant, sich und die eigenen Reaktionen zukünftig selbst am Computer zu beobachten.